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Wohlbefinden
Wer sich umschaut entdeckt viele Lebewesen, die ganz offensichtlich sich um ihr Wohlbefinden bemühen. Ja es gibt sogar viele Mitbewohner dieser Erde, die sich gegenseitig helfen das Leben erträglicher zu machen, sich wohler zu fühlen. So kennen wir Beobachtungen bei Elefanten, die bei der Geburt eines jungen Elefanten sich zusammen tun um das Kleine zu schützen und sich um die junge Mutter zu kümmern. Walkühe konnten ebenfalls bei gleichem Tun betrachtet werden. Gorillas konnten beobachtet werden als sie alten Familienmitgliedern Verpflegung brachten und sich um verletzte Verwandte kümmerten. Die Liste von solch altruistischen Handlungen zum Wohle anderer liesse sich noch weit fortsetzen. 

 

Zum körperlichen Wohlbefinden

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  • Am ehesten betrifft dies die höher entwickelten Arten und in besonders hohem Mass, die Primaten und die Menschen. Das Wohlbefinden scheint eine lebendige Grundbedingung zu sein. Ja Menschsein setzen die Anthropologen an mit gemeinsamer Kinderpflege durch die Grossfamilie und das Kümmern um das Wohl der jungen Mutter, neben Gebrauch des Feuers, der Werkzeugherstellung und dem Totenkult.
     

  • Das Wohl ist ein so zentrales Thema, dass das Allgemeinwohl schon sehr früh eine politische Dimension war und noch ist, sowie auch das Wohl des Einzelnen. Kaum eine Verfassung, die nicht das Wohl der Bevölkerung formuliert und auch das Wohl der einzelnen Person. Die Deklaration der Menschenrechte kennt zunächst das Wohl des Einzelnen, in ihrer Summe ergeben die einzelnen Artikel jedoch das Wohl Aller auf demokratischer Grundlage.
     

  • Wenn wir Menschen uns als vielfach zusammengesetzte, körperliche und denkende Wirkmechanismen verstehen, so ist das Wohlbefinden eine der wesentlichen Klammern, die dieses System zusammenhalten.

    > Aus der Neurobiologie kennen wir eine Vielzahl an Überlegungen und Beobachtungen, die Wohlbefinden aus physiologischen, also körperlich materiellen Abläufen herleiten. Das meint im Besonderen, dass Befindlichkeiten und Gefühle auf der gegenseitigen Wirkung von Gehirnabläufen also materiell bedingt zu denken sind. Dieser Gedankenweg mag auch als biologistisch bezeichnet werden, birgt aber doch bedeutungsvolle und bedenkenswerte Erkenntnisse. 
     

  • Der gesamte körperliche Lebensablauf und der zugehörige Haushalt sind die Grundlage auf der Gedankengänge und Gefühle entwickelt werden. Das Gehirn baut aus Vorgaben aus dem gesamten Körper, und die Sinnesorgane gehören dazu, das zusammen, was wir als nicht materielle Wirklichkeiten bezeichnen können. Diese immateriellen oder geistigen oder kognitiven und emotionalen Wirklichkeiten folgen allerdings anderen Gesetzmässigkeiten, als die materiellen.
     

  • Die körperlichen Gegebenheiten sind jedoch eine der unverzichtbaren Grundlagen des Denkens. Das Gehirn ist ein körperliches, materielles Organ und das neuronale System, das den gesamten Körper durchzieht ist ein materielles organisches Geflecht. Die Aminosäuren, die Hormone und weitere komplexe Chemikalien, die im Bereich des Magens und sonstiger innerer Organe produziert werden sind Substanzen, die beschreibbar, messbar und darstellbar sind. Sie entsprechen den Massgaben aller materiellen Gegebenheiten.
     

  • Dieses ausserordentlich dichte und schier unendlich verknotete und verbundene Gespinst steuert unseren Körper, wenn wir nicht einen „Deus ex nihilo“ bemühen wollen.  Dieses Gebilde hat sich seit seiner Zeugung unentwegt entwickelt und verändert. Das Mandelkernorgan prüft jeden Moment den Zustand des Systems und das Gehirn vergleicht ihn mit bereits geprüften Situationen aus der Vergangenheit. Ergibt der Vergleich keine gespeicherten Beeinträchtigungen, oder gar Verletzungen, besteht also eine körperliche Ausgewogenheit, so können wir von einem körperlichen Wohlbefinden sprechen. Das heisst ein Körper, der über seine äusseren Sinnesorgane Signale aufnimmt, die positiv beurteilt werden und dessen innere, körpereigenen Mitteilungen keine Störungen anzeigen, befindet sich in einem wohligen Zustand. Dabei ist es jedoch sehr bedeutsam, dass jeder Körper, im Laufe seiner Entwicklung, eigene unverwechselbare Erfahrungen gemacht hat und deshalb Wärme, Lautstärke, Dunkelheit, Schmerz, Umraum, Bewegungsfreiheit, motorische Beweglichkeit, Geruch, Hunger, Durst und vieles mehr sehr persönlich erlebt und damit sein ganz eigenes Wohlbefinden erlebt. Es gibt also kein standardisierbares, körperliches Wohlbefinden. 
     

  • In der Architektur, im Rechtswesen und anderen Bereichen wurde versucht Mindeststandards für ein menschenwürdiges Leben zu definieren, also Grenzwerte des Wohlbefindens festzulegen. Aus dem Vorgenannten lässt sich klar erkennen, dass dies nur ungefähre Rahmenbedingungen sein können. Vielen wird dieser zugestandene Lebensraum ungenügend für ihr persönliches Wohlbefinden sein. Darauf reagieren Körper oft mit sehr eigenwilligem Verhalten. 
     

  • Auf sehr eingeschränkte Lebensbedingungen antworten Körper oft mit stereotypen, sich wiederholenden Bewegungen, mit Hautreaktionen und Jucken, mit Magenschmerzen, mit Sehstörungen und einer Vielzahl an Aufforderungen das Wohl wiederherzustellen. Kratzen verschafft schon eine kurze Linderung, Ermüdung lässt kurz schlafen, und Essen verlagert das Magenweh. Diese kurzfristigen Ablenkungen lösen das Problem nicht und das längerfristige Wohlbefinden wird sich erst einstellen, wenn der erlernte Zustand der persönlichen Ausgeglichenheit wieder erreicht ist. Wohlbefinden lässt sich also als abhängig vom persönlichen Status sehen. Wird längere Zeit gegen diese Wirklichkeit verstossen, so versucht das Gehirn, vermutlich ist das Mandelkernorgan mitverantwortlich, einen neuen Normalzustand zu definieren. Das wird von aussen oft als Abstumpfung oder Verlust an Sensitivität angesehen. Dazu gibt es Studien zu gefolterten Soldaten.
     

  • Das Gehirn speichert all diese Erfahrungen, die der Körper erlebt und die den persönlichen Standard des Wohlbefindens darstellen. Vermutlich sind es Bereiche der Brücke und des Stammhirns, die diese Eindrücke verwalten, aber auch Grosshirnarreale betreiben archivarische Tätigkeiten. 
     

  • Die Verschachtelungen der Erfahrungen und Erinnerungen gehen tatsächlich weit über Reizmuster und Reaktionsmuster hinaus und bewirken ein sehr selbständiges und dem Bewusstsein entzogenes körperliches Verhalten. So kann auch ein unlogisch erscheinendes Wohlbefinden aus einer sehr weit verzweigten Erfahrungsverknüpfung entstehen. Eine sehr anstrengende Klettertour, die Durst, Muskelschmerzen ja sogar Angst weckt, kann doch Wohlbefinden auslösen.

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Zum emotionalen Wohlbefinden

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Das Wohlbefinden als emotionale Kategorie zu benennen ist eigentlich ein schwieriges Unterfangen. In der deutschen Sprache haben sich viele kreuzundquer Bedeutungen zum Gefühl und zur Emotion eingenistet. Kant spricht in der „Kritik zur reinen Vernunft“,unter anderem, über die Interaktion von Cognition und Emotion. Gefühl bezeichnet er hier als Emotion. Die gegenseitige und abhängige Existenz von Emotion und Cognition bezeichnet er als untrennbar und sich so beeinflussend, dass sie nicht ohne einander gedacht werden können. Das würde vielleicht nahe legen von Wohlfühlen zu sprechen. Doch ist das Gefühl eben so ein wilder Zustand.

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  • Gefühl ist das grosse Wort der Esoterikindustrie und wird als das grosse Korrektiv zur Vernunft, als jene bürokratische Zerstörerin der Menschlichkeit gesehen. Das Gefühl ist dann die grosse Waffe der Frauen gegen die berechnende männliche Vernunft. Und das Wohlfühlen ist eigentlich nur Frauen möglich da Männer immer kalkulieren und kühle Rationalität verwenden. Diese Unsinnigkeiten sind unwürdig im Umgang mit dem Gefühl. Das Gefühl ist einerseits das Potential etwas zu erfühlen. Andererseits ist es die Fähigkeit Impulse durch unsere Sinne zu erfahren. Als dritte Bedeutung lässt sich noch das Gefühl als Polizei des Hirns nennen. Alle drei Schichten des Begriffs erfüllen unterschiedliche Aufgaben. Aber alle drei entstehen aus körperlichen Impulsen und den zugehörigen Vergleichen von vorhandenen Denkmustern, oder erinnerten Erfahrungen.

    > Erfühltes ist all das, welches mit unserem Tastsinn erspürt werden kann. Die gesamte Oberfläche unseres Körpers erspürt die Welt in der wir uns bewegen und informiert uns darüber. Die inneren Oberflächen der Organe liefern ebenfalls unverzichtbare Beiträge. Unser Gehirn destilliert dann daraus die so wesentlichen Denkmuster, mit denen wir uns die Welt konstruieren.

    > Zu den erfühlten Wirklichkeiten gehören auch alle jene Wirklichkeiten, die aus einer unbewussten Wahrnehmung stammen und nicht näher benannt und beschrieben werden können. Und doch sind sie vorhanden und wirken auf unser Denken und damit auf unser Handeln ein. Es ist dies ein Erahnen von Bedeutungen, die im Vergleich keine klare Zuordnung von Denkmustern zulässt und deshalb aus weiten Assotiationsketten zusammengebaut wird. Diese erahnten Wirklichkeiten werden oft als psychische Wahrheiten verhandelt, ja als Urerfahrungen, und sind vielleicht das Kernstück der gefühlvollen Auseinandersetzungen. 

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  • Nehmen wir ein Vexierbild auf dem eine junge Frau mit Hut abgebildet wird, die gleichzeitig als alte Frau mit Kopftuch gelesen werden kann. Je nach Assoziation, die angeblich von der psychischen Verfassung vorgegeben wird, wird die entsprechende Bedeutung ausgelesen. Oder die Rorschachtests, die angeblich Auskunft geben über die geistige Verfasstheit eines Menschen. 

    > Die Ahnungen beruhen auf den sehr schnellen Verschaltungen unseres Gehirns bevor kognitive Abläufe stattfinden. Dabei werden unsere sämtlichen Erkenntnisse und alle erlernten Beurteilungen abgefragt und zu einer reflexartigen Reaktion zusammengefügt. Es ist ein komplexes Bild, das aus jenem Bewusstsein kommt, das unter unserem kognitiven Denken liegt aber das gesamte vorhandene Wissen verwendet. Und es wirkt zurück auf unser kognitives Denken, denn das Gefühl ist eine besondere Art des unbewussten Denkens. Wir hatten uns durch erwägen vieler Argumente entschlossen eine neue Photovoltaikanlage zu kaufen, jedoch unsere Anhänglichkeit an das alte Dach hat uns davon abgehalten. Wir fühlen uns mit dem alten Dach wohl.

    > Erfühltes sind auch all die wichtigen Informationen, die wir mit dem Einfühlungsvermögen und dem Mitgefühl verknüpfen. Es sind dies ebenfalls erahnte Deutungen von Situationen und Äusserungen von Wesen und Menschen. 

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  • HINEINFÜHLEN ist der Gebrauch aller meiner geistigen Fähigkeiten um, mit diesem zum feinen Finger gespitzten Denken, den Nerv der Situation zu ertasten. Je umfangreicher mein Vorwissen um die Situation ist, desto genauer lässt sich Untersuchen und Erkennen. 
     

  • MITFÜHLEN ist eine hingebende Tätigkeit, die alle Aufmerksamkeit auf ein Wesen richtet und die Befindlichkeit erfühlt um zu begleiten. Ja nicht einfach nur parallel zu empfinden, sondern, die Schmerzschwellen vorherzusehen und darüber hinweg stützen. Mitgefühl und Einfühlungsvermögen sind die Begabungen, die Menschlichkeit und sogar die Liebe erst möglich machen.

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Das Fühlen ist also von zentraler Bedeutung für unser Leben, aber nicht sinnspendend, wenn es nur im Unbewussten bleibt, da es dann sich verselbständigen kann und zu Unfällen führt, wie ein autonomgesteuertes Fahrzeug. Lebenssituationen sind selten so wie wir sie gelernt und verkürzt automatisiert haben. Wenn eine Treppe plötzlich ihre Stufenhöhe ändert so stolpern wir, da das nicht unserem gespeicherten Eindruck des Treppenbeginns entspricht. Das zupackende Handgeben, zur Begrüssung, verängstigt einen traditionellen Japaner oder weckt zumindest sein Misstrauen. Körper, insbesondere männliche und weibliche, haben sehr unterschiedliche Entwicklungen im Laufe ihre Lebens erfahren und diese lassen sich letztlich nicht mitteilen, da sie zwar beschreibbar sind aber nicht erfahrbar. Diese fehlenden Erfahrungen lassen sich nur durch Einfühlungsvermögen annähern, leider niemals ausgleichen. 

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Menschen haben immer eine Erfahrungsdistanz zwischen sich, die nur mit Respekt und Zuneigung schmilzt. 

Eine besondere Schwelle des Gefühlsbereichs zwängt sich gerade in den zwischenmenschlichen Bereich hinein und dies ist die Polizeifunktion des Gefühls. Diese dritte Kategorie ist äusserst wichtig , aber oft unbemerkt, oder fehlgedeutet. Das Gefühl tritt auf als Alarm bei einer Übertretung des Regelsystems der Körperhirneinheit.

In diesem Fall lassen sich zwei Hauptunterscheidungen treffen, nämlich die körperliche Wirklichkeit und die Ebene des Ethischen, oder Gedanklichen.

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Geschieht im körperlichen Bereich eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens, so schickt das Gehirn einen angemessenen Schmerz. Angemessen ist ein Schmerz nach Massgabe der individuellen Norm der Beeinträchtigung. Ein Studienfreund meines Sohnes, ein gebürtiger Mongole, empfand winterliche Kälte erst ab ca -15° C und schlief bis zu dieser Temperatur ohne Bettdecke. 

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Ich habe aufgrund jahrzehntelanger Erlebnisse mit starkem Kopfschmerz bei kleineren Blessuren oder bei Zahnweh zwar eine Schmerzerfahrung, jedoch ist es nicht quälend unangenehm höchstens alarmierend. Dies liegt an einer höheren Schwelle aufgrund der neubestimmten Grenzen meines Gehirns. Dies sind keine bewussten, oder willentlichen Anpassungen, sondern Reaktionen zentraler Bereiche des Gehirns.

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Die Amygdala ist ein Organ, das aus zwei Bohnenartigen Knospen besteht, die an ihrem längeren Ende zusammengewachsen sind. Dieses Organ entschlüsselt Impulse des Nervensystems und ordnet ihnen Bedeutungen für das materielle und immaterielle System zu. 

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Schneide ich mich in den Finger, so sagt der eine Teil der Amygdala wie gefährlich das ist und leitet das an alles Bereiche des Gehirns weiter. Einige spezialisierte, kleine Regionen verarbeiten blitzschnell die Informationen und informieren weiter, so ergibt sich von anderen Zentren ausgehend Schmerz in meinem Finger. Dieser körperliche Schmerz ist eine spürbare oder gefühlte Wirklichkeit aufgrund eines neuronalen Regelkreises. 

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Beschimpft mich jemand, oder beleidigt mich wer, so reagiert der andere Zweig der Amygdala und reagiert wie der Zwillingsteil. Die zwei Teile dieses Organs haben eine Aufgabenteilung zur Erkennung für körperliche und geistige Verletzungen und leiten ihre Reaktion als neuronale Information an andere Gehirnregionen weiter. 

 

Meine Beleidigung löst als Verstoss meines persönlichen ethischen Repertoires vielgestaltige Aktivitäten in meinem Gehirn aus. Unter anderem werden je nach Schwere der Verletzung meiner ethischen Normen angemessene Hormone ausgeschüttet, die dann für Ärger, Wut oder Aggression sorgen. 

Die spontane Reaktion des Gehirns, also der Alarm wie ein Martinshorn der Polizei, sorgt für das Bewusstsein, dass das Wohlbefinden verschwunden ist. Und sofort entsteht der Wunsch dies wieder herzustellen. Ja geradezu gierig wollen wir den wohligen Zustand wieder haben und fühlen uns fast krank, es ist ein echtes Unwohlsein.

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A. Damasio hat in seiner „Theorie der somatischen Marker“ einen Gedankengang entwickelt, indem er die oben genannten Verknüpfungen von schnellen unbewussten Hirnabläufen mit Körperreaktionen durch Untersuchungen bestätigt. Er geht dann noch weiter und folgert, dass diese Körperreaktionen bereits zuneigende oder ablehnende Entscheidungen unseres Gehirns darstellen. 

Das Belohnungssystem besonders um den Nucleus Accumbens und das Hormon Dopamin werden zum Zentrum für das Wohlbefinden. Hier fallen die Entscheidungen auch für weiterführende Verhaltensweisen. 

Kognitive Entscheidungen werden hier auch oft umgeworfen und zu eine gefühlt bessere getroffen.

Dazu lässt sich sagen, dass die gefühlte oder geahnte bessere Entscheidung jene ist, die besser zu den bereits gespeicherten Denkmustern oder Stereotypen passt.

Das Zusammenspiel von Präfrontalem Cortex mit dem Stammhirn, Hypothalamus und den entsprechenden neuronalen Transmittern führt mit den auslösenden positiv besetzten Denkmustern zu Wohlbefinden.

Damasio nennt diese Denkmuster somatische Marker. Das heisst nichts anderes, als dass in unseren Hirnarchiven präsente, gedankliche Muster emotional markiert sind. Sie sind so stark markiert, dass sie körperliche Reaktionen hervorrufen, deshalb benennt sie Damasio als somatische Marker. Damasio wurde zu seiner Betrachtung durch Spinoza angeregt, der die Trennung von Körper und Geist nicht akzeptieren konnte. Die besonders religiös bedingten Verurteilungen des Gefühls und der fleischlich körperlichen Gelüste, der Wollust im Gegensatz zu lustfeindlichen vergeistigten Leben betrachtete er als zerstörerisch. Besonders als der asketische Wahn durch das abwesende Wohlbefinden zu Fanatismus und Grausamkeit fürht. Das ist gut bei religiösen Extremisten von Calvin bis zu Al-Bakhtadi zu beobachten.

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Aus Tierversuchen ist allerdings auch ein gegenläufiger und unangenehm berührender Bericht zu bedenken. Wird ein Tier im Belohnungszentrum dauerstimuliert, so verzichtet es auf Nahrung und stirbt an diesem Überfluss an Wohl. Es scheint so, dass ein harmonisches Gemisch an Gehirnflüssigkeiten, ein feines Klima, herrschen muss um Wohlbefinden über längere Zeit zu erfahren.

Damasio hat in seinen Arbeiten „ Descartes Irrtum“ und „Ich fühle also bin ich“ eine schwierige Uterscheidung zwischen Emotion und Gefühl getroffen. Eventuell ist dies dem amerikanischen Englisch geschuldet. 

Er bezeichnet Emotionen als öffentlich beobachtbar und Gefühle als subjektiv und als mentale Repräsentationen von Körperzuständen im Gehirn. Mit Emotion meint er aber wohl eher die körperlichen Äusserungen, die Sprache der Gesten und der Mimik. 

Die Sprache der Emotion ist aber nicht die Emotion selbst, sondern ihre Darstellung. Die dualistische Denkweise Damasios kommt hier an ihre Grenzen. Oder vielleicht ist es nur ihre Ausdrucksweise, die hier nicht greift.

Aus den Gefühlsüberlegungen heraus lässt sich sagen, dass das Wohl allein mit dem Gefühl nicht zu fassen ist und deshalb das Wohlbefinden die günstigste Bezeichnung ist. Damasio müsste also sich mit well-beeing befassen und nicht mit well-feeling.

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Zum sozialen Wohlbefinden

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Gruppen und grössere Gesellschaften setzen sich immer aus einzelnen Personen zusammen. Zu schnell sind wir mit Mechanismen innerhalb von Gesellschaften beschäftigt und verlieren aus den Augen, dass einzelne Menschen mit ihrem sehr eigenen Bedürfnis an Wohlbefinden die Gesellschaft ausmachen.

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Jede Untergruppe mit spezifischen Bedürfnissen ist eine Ansammlung von Individuen. Diese Gruppe umfasst ähnliche, aber nicht gleiche Wirklichkeiten des Wohlbefindens. Und diese Menge bildet mit anderen Gruppierungen die Gesellschaft. Das ist ganz schön viel unterschiedliches Wohlbefinden, das in einer grossen Gesellschaft organisiert werden müsste. Die Regierung des Königreichs Bhutan versucht dies gerade mit grosser Kraftanstrengung. Sie nennt dies etwas anders, aber sie haben offiziell das Vorhaben des Glücks für jeden Staatsbürger begonnen. 

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Die vor Jahren von G. Schröder angedachte Leitkultur sollte eine Massnahme sein, um eine Grundlage zu bekommen für ein gemeinsames Wohlbefinden. Und die leider sehr verblödeten AFD und Pegida Aktionen erzählen nur von einer Unfähigkeit in einer vielgestaltigen Gesellschaft einen friedlichen, wohligen Zustand zu sehen. Sie sehnen sich nach einem illusionären in der Vergangenheit und jetzt nicht existierenden Deutschtum. Jedoch eint sie ein Wunsch nach einer Gleichförmigkeit, die überschaubar ist. 

Ist für ein soziales Wohlbefinden ein soziokulturelles Gefüge notwendig, das möglichst einfach ist und mit wenigen Dogmen die Regeln festlegt?

 

Ein soziales Wohlbefinden kann nicht ein Regime sein, das Menschen unter ein totalitäres System unteordnet. Ein solches System hat zwar eindeutige und einfache Regeln ein einheitliches kulturelles Leitbild und und klare Verhaltensregeln. Aber es zeigt einen sehr niedrigen Horizont des Wohlfühlens und der Variationen des Wohlbefindens. Das Wohlbefinden wird normiert auf sehr niedrigem Niveau. Totalitäre Regime brauchen eine Flut von Vorschriften, die allermeist redundant sind. Es geht um Einschränkung der Möglichkeiten, um kontrollieren zu können. Es geht auch um Machtverteilungen an Priveligierte und beschneidung der Möglichkeiten weniger Priveligierter. Wohlbefinden in totalitären Systemen ist nur wenigen möglich.

Offene und basisdemokratische Systeme bieten grosse Entfaltungsmöglichkeiten sind aber gefährdet von Radikalen jeglicher Richtung untergraben zu werden.

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Das Wohlbefinden jeder einzelnen Person möchte soweit ermöglicht werden, als es die Entfaltungsmöglichkeiten anderer nicht behindert. Nein es ist nicht das Gemeinwohl, das im Vordergrund steht, sondern das höchstmögliche Wohl jedes Einzelnen. Es mmuss wohl immer wieder geschehen, dass dabei manche der grossen Vielfalt wegen ihr Verhalten etwas einschränken müssen um anderen mehr Wohlbefinden zu ermöglichen. Ja es geht um ständiges Abwägen. Da wie oben erwähnt kein eindeutiger Standard des Wohlbefindens sinngebend fest zu schreiben geht, muss wohl immer wieder eine Diskussion geführt werden. Notwendig ist immer wieder eine Diskussion, darüber, was die gemeinsamen soziokulturellen Ziele sein sollen. Mit der einmaligen Nennung von Zielen in der Verfassung ist es nicht getan. Alle Philosophen, Künstler, Schriftsteller, Musiker, ja alle Soziologen sonstigen Kulturtechniker sind zum permanenten Beitrag an dieser Diskussion aufgerufen. Alle Beiträge müssen öffentlich und frei diskutiert werden und verantwortungsvoll ohne persönlichen Profit moderiert werden. Eigentlich wäre das eine Aufgabe eines Präsidialrates, nicht eines einzelnen Geralsekretärs oder Präsidenten. So gesehen ist die bhutanische Glücksdebatte eine höchst demokratische im Sinne der Findung einer Ausgangslage für ein gemeinsames Wohlbefinden.

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Wie sieht das Wohlbefinden aus?

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Das Befinden und die Befindlichkeit sind Begriffe, die mit der Findung eines Zustandes verbunden sind. Das Wohlbefinden beschreibt also einen Zustand und ist dementsprechend ein Begriff, der auch einen zeitlichen Aspekt hat. Ein Zustand hat seiner Natur nach einen Anfang, entwickelt sich und wird lebendiger oder müder und endet dann. Wie ist dieses sich verändernde Wohlbefinden zu entdecken?

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          Woran kann das Wohlbefinden erkannt werden ? Wenn es eine Möglichkeit gibt das Auftreten oder die Dauer zu messen, so haben wir die Chance eines beschreibbaren und wiederholbaren Experiments. Allerdings gibt der Versuchsaufbau bereits starke Rätsel auf. Eine Möglichkeit der Messung könnte in den Reaktionen des Belohnungszenztrums liegen und der Ausssendung von Dopamin. Damit wäre aber nur der neurobiologische Ansatz zu messen. Nicht zu messen wäre damit der neuroästhetische Ansatz, der den gesamtem Zustand des gedanklichen und körperlichen Aspekt ermessen will.

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          Der Beginn eines Wohlbefindens ist sowohl bei der Versuchsperson selbst, als auch bei den Prüfenden nicht eindeutig feststellbar. Erfahrungen in Selbstversuchen und auch duch Beobachtumngen haben gezeigt, dass immer eine Verzögerung in der Wahrnehmung des Wohlbefindens auftraten.

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          Im Selbstversuch trat wohlbefinden immer schleichend aus dem Umbewussten auf. Es ist ja durch die Abwesenheit von Störung gekennzeichnet. So Wie eine aufgeräumte Küche erst verspätet das Aufräumen erkennen lässt, ja nicht einmal das Ausmass des Aufwandes, da ja keine Indizien der vorherigen Situation vorhanden sind.

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          Eine Vorgehensweise könnte sein frühe Indizien für das Wohlbefinden zu benennen. Sowohl die biologischen Marker, als auch die Ausdrucksformen der äusseren Erscheinung lassen Rückschlüsse auf ein Wohlbefinden zu. Es sind dies indirekte Merkmale. Dabei ist zu berücksichtigen, dass soziokulturelle Prägungen gerade diese mimischen und gestischen Äusserungen sehr unterschiedlich erscheinen.

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          Auch die Auslöser für Wohlbefinden lassen sich nicht eindeutig festlegen, also bleiben wir für eine Versuchsanordnung zu indifferent. Wir können feststellen, dass der Beginn des Wohlbefindens nicht eindeutig festzulegen ist.

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          Dagegen ist das Ende klarer zu sehen, nämlich dann wenn eine ärgerliche Störung eingetreten ist. Das Ende einer Phase des Wohlbefindens ist einfach mit der Uhr zu messen. Diese Messung macht aber nur Sinn in einer Relation. Es gibt also einen ungefähren zeitlichen Anfang ung ein deutliches Ende. In der Zeit dazwischen lassen sich unterschiedliche Stärken des Wohlbefindens ausmachen, allerdings nur aufgrund von Beschreibungen der inneren Verfassung, der Beobachtung des Äusseren und von Gehirnbeobachtungen. Da Wohlbefinden keine Sensation ist und kein extremes Gefühl lässt es auch keine klare Messung im Gehirn zu. Ausserdem sind die Auslöser des Wohlbefindens zu verschieden, als dass zuverlässig gemessen werden könnte. Wohlbefinden nähert sich am ehesten der Ausgeglichenheit und Unbewegtheit. Der See in dem unser Gehirn schwimmt hat keine Wellen.

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Das Wohlbefinden anderer als uns selbst lässt sich spontan nur in den Verhaltensweisen entdecken. So ist das Wohlbefinden nie direkt, sondern immer nur indirekt erfahrbar. Auch das Wohlbefinden in einer Gesellschaft ist nur über die Handlungen einzelner oder von Gruppen zu erkennen. Das Wohlbefinden vieler, in einer Gesellschaft, führt zu einer entspannten und friedlichen Situation. Jedoch ist dieser Zustand labil und braucht ständige Pflege. Manche Politiker sehen sich dazu veranlasst mit erkauftem Wohlstand ein anhaltendes Wohlbefinden zu erzeugen, dies hat sich als kapitalistischer Kurzschluss erwiesen. Materieller Wohlstand ist nicht zu erreichen, da die kapitalistische Notwendigkeit des Mehrwerts auch hier gilt und die korumpierenden Konsumgaben nur die Gier entfachen. Damit schliesst sich der Kreis von der Entfremdung zur Unzufriedenheit und sowohl das persönliche das Wohlbefinden als auch das soziale Wohlbefinden ist gestorben.

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Es ist also nur in den Gesichtern und auf den Bildschirmen sichtbar, dieses flüchtige Phänomen. Es ist immer wieder erfahrbar, aber kaum zu beschreiben. Ja nicht einemal deutlich mitzuteilen. Denn um die Mitteilung genau zu verstehen braucht eindeutige gleiche Denkmuster vom Wohlbefinden. Thomas Nagel hat uns dazu in „How to be a bate“ sehr schöne Beispiele geschenkt. Wir können nur unsere gegenseitigen Vorstellungen ahnen oder fühlen, aber nicht erkennen. Ohne Wohlbefinden sind wir nicht lebensfähig wie Tests im Dauerstress gezeigt haben. Aus dem Wohlbefinden heraus regenerieren wir uns immer wieder. Kunst kann zu Wohlbefinden verleiten und das ist eine ihrer vormehmen Aufgaben. Wohlbefinden ist nur erreichbar mit einer guten Portion Wissen und Bewusstsein und auch das kann Kunst befördern. Deshalb auch diese kleine Ausführung zur Bewusstwerdung des Umwegs, der für das Wohlbefinden unumgänglich ist.  

Das Wohlbefinden bleibt wie die Liebe ein wunderbares aber geheimnisvolles Phänomen.

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Das Wohlbefinden bleibt wie die Liebe ein wunderbares aber geheimnisvolles Phänomen.

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Das Hasenhorn

Eine Beobachtung der Wahrheit

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  • Eines Tages begegnet mir an einem Spaziergang hinter dem Genfersee zwischen Gestrüpp ein Hasenhorn. Ich erinnere mich, dass an dem Ort an dem ich zur Schule ging seltsame Wesen in einem Ausflugsgasthaus gezeigt wurden. Sie hiessen Walpertinger oder Greissen und waren neben Gemseneiern zur Unterhaltung und Verspottung von Touristen angefertigt. 

  • Sie bestanden meist aus einem Hasenkörper mit Hörnern, oft auch mit einem wilden Gebiss, und standen als Präparat auf Podesten an der getäfelten Wand, als älpelnder Urlaubskitsch der besonderen Art.

  • War mein Hasenhorn ein Überbleibsel eines Walpertingers? Ohne Kopf und ohne weiteren Körper war das nicht festzustellen. Es war ein Hasenhorn ohne Zweifel und es existierte aus meiner Vorstellung direkt auf den Weg gefallen. Hasen gibt es hier viele, allerdings ohne Hörner. Hörner gibt auch allerdings ohne Hasen. Beides miteinander ist machbar wie die Walpertinger zeigen. Das Hasenhorn ist eine gedachte Wirklichkeit die auf einer gebrochenen Logik beruht. Das Hasenhorn ist eine Behauptung, die nicht eingelöst werden kann. Das Hasenhorn ist allerdings brauchbar als Metapher für Behauptungen der Art, dass ein Begriff eine scheinbar sinnvolle Bedeutung hat, schlussendlich aber Unsinn verbreitet.

  • Politiker setzen ihren Wählern gerne Hasenhörner auf und auch gar mancher Journalist und auch sogar Wissenschafter vertreibt Hasenhörner, manchmal ohne es zu wollen oder zu bemerken. 

  • Hasenhörner bevölkern zahlreich unsere Umgebung. Daher war es kein Wunder, dass ich einem begegnet bin. Ein Hasenhorn hat sich tief in unsere Denkfiguren eingeschlichen, ja es bestimmt sehr grundsätzlich unsere Kultur und unsere Gesellschaftsordnung formt sie doch sogar wesentlich unsere juristische Ordnung. Es ist die Wahrheit.

  • Ist es nicht eine ungehörige Behauptung, diese Grundfeste unseres Zusammenlebens sei ein Hasenhorn? Wahrheit bezeichnet einfach betrachtet ein Ereignis, von dem wir glauben, dass es eindeutig so und nicht anders stattfindet und alle sich davon überzeugen können. 

  • Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten von der Existenz eines Ereignisses zu wissen. Zum Einen dadurch, dass wir dabei sind oder waren. Zum Anderen, dadurch, dass wir davon gehört haben. Dabei können wir auch noch von einem gehört haben, der dabei war, oder der es ebenfalls nur gehört hat. 

  • Diese seltsame Natur der Ereignisse zeigt also, dass es die sinnliche Erfahrung ist, die das Ereignis erfindet. Zugegeben,es wird nicht willkürlich erfunden, sondern auf der Grundlage von Eindrücken und Erlebnissen. Aber erstens werden nicht alle Eindrücke vollständig aufgenommen und zweitens nicht alle umfänglich bearbeitet. 

Bewusstsein

Eine mögliche Natur des Bewusstseins

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          Das Bewusstsein ist ein Zustand des neuronalen Systems. Dieser Zustand ist gekennzeichnet durch kognitive Präsenz. 

Das heisst besonders Bereiche des Grosshirns sind so miteinander verknüpft, dass ein wacher und präsenter Zustand entsteht und das unter Verwendung aller persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse.  

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          Dazu kommt dass der Moment, indem das Bewusstsein auftritt, oder der Zustand einsetzt, wesentlich von den jeweils herrschenden sinnlichen Eindrücken geprägt wird. Unsere Sinnesaufnahme ist abhängig von der Ausprägung unserer Sinnesorgane und die ist sehr persönlich. Da sich die Situationen, in denen wir leben ständig ändern, sind die sinnlichen Impulse ein Regen von Zufällen.

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          So ist es wohl besser von unregelmässig, kurzen Zuständen der Bewusstheit zu sprechen, die sich durch ihre besondere sinnliche Färbung unterscheiden und zu Sequenzen aneinanderreihen.

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          So ist das Bewusstsein vergleichbar mit einer Filmsequenz, bewegt und nicht statisch, komplex zusammengesetzt aus Erinnerungen, momentanen Erlebnissen, körperlichen Verfasstheiten, sich entwickelnd und wieder endend.

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          Bewusstsein ist ein Prozess auf dessen Oberfläche Wahrnehmung stattfindet und Entscheidungen getroffen werden. Auf dieser oszillierenden Oberfläche baut unser Gehirn die Welt, parallel zur beobachteten Wirklichkeit.

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          Schon Cezanne bezeichnete seine Malerei, als ein arbeiten parallel zur Natur. Ob er dabei die vorgefundene Natur, oder seine eigene Natur meinte hat er offen gelassen. Vermutlich war er sich klar, dass er beide Wirklichkeiten mit einer Verfremdung behandelte. 

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